
Das Aufwachsen mit einem narzisstischen Elternteil hinterlässt tiefe Spuren – meist subtil, aber nachhaltig. Die Wunden entstehen nicht durch körperliche Gewalt, sondern durch emotionale Vernachlässigung, Manipulation und fehlende Empathie. Viele Betroffene erkennen erst im Erwachsenenalter, wie sehr ihre Kindheit sie geprägt hat.
In der hypnotherapeutischen Arbeit geht es darum, diese unbewussten Prägungen behutsam zu lösen, das Selbstbild zu heilen und eine stabile, innere Selbstanbindung aufzubauen.
1. Aufarbeitung der Herkunftsfamilie
Viele Klient*innen kommen mit unspezifischen Beschwerden in die Praxis:
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chronischer Selbstzweifel („Ich bin nicht genug“),
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Schwierigkeiten mit Autoritäten oder Nähe,
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wiederkehrende Beziehungsmuster,
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innere Leere, Schuld- oder Schamgefühle,
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depressive Verstimmungen, Erschöpfung oder Angst.
Diese Symptome haben oft ihre Wurzeln in einer frühen Eltern-Kind-Dynamik, die von Anpassung statt Bindung geprägt war. Die therapeutische Arbeit beginnt mit Anerkennung des Erlebten, Bestätigung der kindlichen Wahrnehmung und Entlastung:
„Was du erlebt hast, war nicht deine Schuld. Die Verantwortung liegt bei deiner Mutter/deinem Vater.“
„Dein Gefühl war richtig – auch wenn es niemand gespiegelt hat.“
Offene Gespräche können erste Einsichten ermöglichen. Im hypnotischen Zustand lassen sich verdrängte Bilder und Körpergefühle leichter erinnern und verarbeiten. Die Trance ermöglicht einen sanften Zugang zu Erinnerungen – ohne Überforderung – und öffnet Raum für neue Sichtweisen.
2. Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung
Kinder narzisstischer Eltern lernen früh, dass ihre Bedürfnisse nicht zählen – oder nur dann, wenn sie den Erwartungen der Eltern entsprechen.
Das Kind wurde nicht als eigenständige Person wahrgenommen, sondern musste in einer bestimmten Funktion funktionieren – etwa als Bewunderer, Trostspender oder stiller Mitläufer.
Typische Auswirkungen:
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Bindungsstörungen: unsicher-vermeidend oder desorganisiert
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Überangepasstheit, Perfektionismus, Helfersyndrom
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Gefühle von Schuld, Scham, Angst
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unterdrückte Wut, oder impulsive Affektdurchbrüche
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innere Leere oder Überforderung im Erwachsenenalter
Bei hochstrittigen Trennungen kommt es oft zu Loyalitätskonflikten: Das Kind wird zum Instrument elterlicher Machtkämpfe. Ein narzisstischer Elternteil kann gezielt Bindungsblockaden oder Kontaktabbrüche zum anderen Elternteil fördern.
Die Hypnose bietet hier einen geschützten Raum, in dem das innere Kind gesehen, gehalten und versorgt werden kann. Rückführungen in belastende Kindheitssituationen helfen dabei, den damaligen Schmerz kurz bewusst zu machen – und mit dem heutigen Erwachsenen-Ich zu regulieren und neu zu bewerten.
3. Entwicklung eines gesunden Selbstwerts
Wer in einem narzisstischen System aufwächst, erlebt Liebe als Leistung: Nur wer funktioniert, wird gesehen. Daraus entstehen Glaubenssätze wie:
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„Ich bin nur wertvoll, wenn ich etwas leiste.“
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„Ich darf keine Fehler machen.“
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„Ich bin schuld, wenn es anderen schlecht geht.“
In der Hypnose können diese Glaubenssysteme identifiziert, überprüft und transformiert werden. Die Trance erlaubt es, mit dem Inneren Kind in Kontakt zu treten und ihm neue Botschaften zu geben:
„Du bist gut, wie du bist.“
„Du darfst dich selbst lieben – einfach, weil du bist.“ „Deine Bedürfnisse
sind wichtig.“ „Du darfst Grenzen setzen und gleichzeitig geliebt fühlen.“ „Es ist heute sicher, du selbst zu sein.“ „Du darfst dir selbst vertrauen.“ „Du trägst alles in dir, was du brauchst.“
„Du bist jetzt frei, deinen eigenen Weg zu gehen.“
Als Suggestionen können solche Sätze die in der Regeression erreichten Heilungsprozesse verstärken.
4. Grenzen definieren und setzen
Grenzen sind für erwachsene Kinder narzisstischer Eltern oft schwer zu ziehen:
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Sie fühlen sich schuldig, wenn sie „Nein“ sagen.
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Sie haben gelernt, die eigenen Bedürfnisse zu ignorieren.
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Sie fürchten Liebesentzug oder Kritik.
Die therapeutische Arbeit zielt darauf, gesunde Abgrenzung zu ermöglichen – innerlich wie äußerlich:
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Was gehört zu mir – und was nicht?
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Wo beginnt emotionale Manipulation?
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Wie erkenne ich Gaslighting oder Schuldumkehr?
In Hypnose kann z. B. mit der Teile-Therapie gearbeitet werden.
Die Teile-Therapie ist ein therapeutischer Ansatz, bei dem die inneren Persönlichkeitsanteile eines Menschen bewusst wahrgenommen, verstanden und integriert werden. Diese Methode geht davon aus, dass die menschliche Psyche nicht „einheitlich“ ist, sondern aus verschiedenen inneren „Stimmen“, „Teilen“ oder Persönlichkeitsaspekten besteht.
In der Hypnose können wir:
- Einen bestimmten Anteil „auftreten“ lassen (z. B. das Kind, das immer gefallen wollte)
- Den Betroffenen mit diesem Anteil bringen, ihm zuhören lassen, mitfühlen
- Eine neue innere Beziehung etablieren: Schutz geben, Verantwortung zurückholen, Integration fördern
So wird der innere Anteil, der sich „verantwortlich“ fühlt, gewürdigt – und sanft entlassen.
5. Umgang mit der ambivalenten Bindung
Trotz aller Verletzungen besteht oft eine starke Bindung zum narzisstischen Elternteil. Diese Ambivalenz (Liebe vs. Angst, Sehnsucht vs. Schmerz) ist schwer auszuhalten – und eine große Quelle innerer Zerrissenheit.
Hypnotherapeutisch geht es darum, diese Bindung bewusst zu machen, zu würdigen – und gleichzeitig innerlich zu lösen.
In Hypnose darf das Unausgesprochene einen Raum bekommen – ohne Schuld, ohne Drama. Die Verbindung bleibt, aber sie muss nicht länger zerstörerisch wirken.
Erleichterung kann z. B. auch geschehen durch diese Erleichterungen:
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Symbolische Trennungsrituale (z. B. Abschiedsbrief in Trance),
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Vergebungsarbeit (nicht als Verzeihen, sondern als Loslösung),
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Arbeit mit dem loyalen inneren Kind („Du musst niemanden mehr retten“),
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Integration innerer Konfliktanteile (z. B. das kindliche „Ich will geliebt werden“ versus das erwachsene „Ich schütze mich“).
Ziel der Hypnosearbeit
Die Arbeit mit Hypnose bei erwachsenen Kindern narzisstischer Eltern ist nicht konfrontativ, sondern heilend. Sie ermöglicht:
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Zugang zum unbewussten Schmerz und den darin gebundenen Energien,
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Wiederanbindung an das eigene Gefühl, die eigene Wahrheit,
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Stärkung des inneren Erwachsenen, der heute für sich sorgen kann,
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Befreiung aus alten Schuldverstrickungen.
Der Mensch darf zurückkehren zu sich selbst – jenseits elterlicher Prägung.
Rolle des gesunden Elternteils
Der gesunde Elternteil spielt im therapeutischen Prozess erwachsener Kinder narzisstischer Eltern eine entscheidende Rolle, auch wenn die Kindheit längst vergangen ist. Mehr dazu im 3. Teil
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